Stand: 29.09.2025 18:40 Uhr
Cannabis ist seit anderthalb Jahren teilweise legalisiert. Das entsprechende Gesetz ist nach wie vor umstritten – jetzt gibt es eine erste wissenschaftliche Evaluierung. Demnach veränderte sich der Konsum kaum – auch der Schwarzmarkt bleibt.
Rund anderthalb Jahre nach der Teillegalisierung von Cannabis wurde eine erste Auswertung zu den Auswirkungen vorgestellt. Die Effekte sind demnach bisher begrenzt. So zeichne sich etwa ab, dass die jetzt erlaubten Anbauvereinigungen „für die vom Gesetzgeber beabsichtigte Verdrängung des Schwarzmarktes bislang keinen relevanten Beitrag leisten“, heißt es in der Evaluierung von den Universitätskliniken Hamburg-Eppendorf und Düsseldorf sowie der Universität Tübingen.
Bis April 2025 gab es demzufolge 222 genehmigte Vereine. Der Cannabisgesamtbedarf in Deutschland wird laut Bericht für 2024 auf 670 bis 823 Tonnen geschätzt. Davon wurden laut Schätzung weniger als 0,1 Prozent über die Anbauvereine gedeckt. Um den Schwarzmarkt zu verdrängen, „müssten die Rahmenbedingungen für die Genehmigung und den Betrieb von Anbauvereinigungen vereinfacht werden“, heißt es in der Pressemitteilung der Wissenschaftler.
Noch keine abschließenden Aussagen möglich
Die Expertinnen und Experten betonen, dass sich aus den bisherigen Ergebnissen noch keine abschließenden Aussagen zur Wirkungsweise des Gesetzes ableiten lassen. Denn teilweise seien die Daten noch begrenzt. So sei etwa unklar, in welchem Umfang weiterhin verunreinigtes Cannabis konsumiert wird oder wie sich das Gesetz auf die Organisierte Kriminalität auswirkt. In den kommenden Jahren soll es weitere Analysen geben. Der Abschlussbericht wird im April 2028 erwartet.
„In der Gesamtschau der vorliegenden, vorläufigen Ergebnisse kann zum jetzigen Zeitpunkt kein dringender Handlungsbedarf in Bezug auf eine Veränderung des KCanG festgestellt werden“, heißt es in dem Bericht. Mit KCanG ist das „Konsumcannabisgesetz“ gemeint.
„Quantitativ bedeutsamste Entkriminalisierung“ in der Geschichte der BRD
Die größte Veränderung fand den Forschenden zufolge bei Polizei- und Ordnungskräften statt. Schon jetzt könne festgehalten werden, dass es sich bei der Teillegalisierung von Cannabis „um die quantitativ bedeutsamste Entkriminalisierung in der Geschichte der Bundesrepublik handelt“. Im vergangenen Jahr habe die Polizei im Bereich der Cannabisdelikte mehr als 100.000 Fälle weniger verzeichnet als im Vorjahr.
Die Zahl der festgestellten cannabisbezogenen Delikte sei um 60 bis 80 Prozent zurückgegangen. Das bedeute nicht zwingend eine Entlastung der Behörden. „Die neue teilweise komplizierte Rechtslage erforderte andererseits umfangreiche Veränderungen in den Abläufen“, so der Bericht. Das könne für einige Akteurinnen und Akteure eine höhere Arbeitsbelastung mit sich gebracht haben. Auch hier seien weitere Untersuchungen nötig, hieß es.
Starker Anstieg von Importen von Medizinalcannabis
Erste Ergebnisse gibt es mit Blick auf den Konsum: „Während der Konsum von Cannabis bei Jugendlichen weiterhin leicht zurückzugehen scheint, ist bei Erwachsenen nach wie vor eine leichte Zunahme des Cannabiskonsums zu beobachten“, schreiben die Autorinnen und Autoren. Auch seien bislang „keine drastischen Veränderungen in der Entwicklung von Suchterkrankungen oder der Gefährdung der Verkehrssicherheit festzustellen“.
Nicht repräsentative Umfragen zeigten, dass die „wohl wichtigste Bezugsquelle“ das soziale Umfeld ist, zum Beispiel Freunde oder Bekannte. Einige Befragte gaben an, Cannabis hin und wieder von Apotheken zu beziehen. Wie viele dieser Personen, das Cannabis ausschließlich zu medizinischen Zwecken nutzen, sei bislang nicht untersucht. Dadurch, dass die Importe von Medizinalcannabis allerdings stark gestiegen seien und der Zugang dazu erleichtert wurde, sei anzunehmen, „dass auch Konsumierende ohne medizinischen Bedarf Medizinalcannabis beziehen“.
Union will Gesetz mindestens ändern
Um Missbrauch zu verhindern, will Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) die Onlineverordnung und den Onlineversand von Medizinalcannabis verbieten. Ein Referentenentwurf für eine Änderung des Cannabisgesetzes sieht vor, dass Interessenten wieder direkt zum Arzt gehen müssen, statt sich das Medikament per Mausklick verordnen zu lassen.
Zu den Hauptzielen des Gesetzes der damaligen Ampelkoalition zählte, den Gesundheitsschutz zu verbessern und den Schwarzmarkt einzudämmen. CDU und CSU hatten sich im Wahlprogramm jedoch dafür ausgesprochen, die Teillegalisierung wieder rückgängig zu machen.
Voigt: Gesetz der „absolut falsche Weg“
Thüringens CDU-Ministerpräsident Mario Voigt forderte heute erneut die Abschaffung des Gesetzes. In den Zeitungen der Mediengruppe Bayern nannte er das Gesetz „von hinten bis vorne“ den „absolut falschen Weg in der Frage, was Deutschland braucht“.
„Wir tun nicht gut daran, das Gesetz nun im Mikro-Management besser zu machen“, so Voigt. Vielmehr solle ernsthaft die Frage gestellt werden, „ob dieses Cannabis-Gesetz überhaupt sinnvoll ist für Deutschland“.
Positives Fazit von SPD und Grünen
Die SPD-Rechtsexpertin Carmen Wegge hob hingegen hervor, dass der Cannabis-Konsum bei Erwachsenen nicht relevant angestiegen und bei Minderjährigen sogar gesunken sei. Dies bestätige, „dass die Legalisierung von Cannabis der richtige und längst überfällige Schritt war“, erklärte sie in Berlin. Allerdings müsse bei den Anbauvereinigungen nachgesteuert werden.
„Die Teillegalisierung verläuft kontrolliert – ohne Anstieg bei Jugendkonsum, Suchterkrankungen oder Verkehrsrisiken“, erklärte auch die Grünen-Gesundheitspolitikerin Linda Heitmann. Die erreichte Entkriminalisierung entlaste nicht nur Konsumierende, sondern vor allem auch Polizei und Justiz. „Jetzt ist es wichtig, den eingeschlagenen Weg konsequent weiterzugehen“ und die beschlossenen Regelungen, „klug weiterzuentwickeln“, verlangte Heitmann.