Brüssel. Der Aufschrei war groß, als die EU vor 20 Jahren Tierversuche mit Kosmetikprodukten verboten hatte. Löst eine neue Hautcreme eine Allergie aus, weil die Hersteller nicht vorher mit ihr eine Maus eingerieben haben? Und bringen Unternehmen keine neuen Kosmetika mehr auf den Markt, weil sie diese nicht mehr an Tieren testen dürfen? Die vielen Sorgen und Bedenken haben sich inzwischen in Luft aufgelöst und tierversuchsfreie Alternativen wie menschliche Zellen im Reagenzglas etabliert. Allerdings gibt es ein Schlupfloch in der EU-Gesetzgebung, weshalb Cremes, Make-up und Co. auch heute noch nicht unbedingt tierversuchsfrei sind, wie unsere EU-Serie zur Europawahl zeigt.
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Dabei ist es eigentlich ganz einfach: Die EU-Richtlinie 2003/15/EG verbietet „die Durchführung von Tierversuchen mit kosmetischen Fertigerzeugnissen“ sowie den Verkauf von Kosmetikprodukten in der EU, wenn das Produkt (oder seit 2009 auch einzelne Zutaten) an Tieren getestet wurden. Nun der Haken: Es gibt noch eine Chemikalienverordnung (REACH), die Tierversuche vorschreibt, um die Risiken von Chemikalien für Arbeitnehmer und Umwelt zu bewerten. Inhaltsstoffe, die unter das Chemikaliengesetz fallen, können nach wie vor an Tieren getestet werden – und müssen es häufig auch. Wenn ein Unternehmen seine Kosmetik auch in China verkaufen will, muss es die Produkte vorher zwingend an Tieren testen. Denn dort sind Tierversuche vorgeschrieben.
Milliardeninvestition für tierversuchsfreie Methodenforschung
Die beiden widersprüchlichen EU-Richtlinien landeten sogar schon vor Gericht: Die Firma Symrise aus dem niedersächsischen Holzminden wollte für zwei Inhaltsstoffe von Sonnenschutzmitteln keine Tierversuche mehr durchführen, scheiterte damit aber im November vor dem Europäischen Gerichtshof.
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An tierversuchsfreien Methoden wird mit Hochdruck geforscht und viele sind bereits etabliert. Die EU hat in den letzten 20 Jahren mehr als eine Milliarde Euro in die Entwicklung von Alternativen zu Tierversuchen investiert. Dennoch kann die Europäische Chemikalienagentur Tierversuche anordnen, wenn sie befürchtet, dass ein Inhaltsstoff gefährlich für Menschen oder die Natur ist.
Nachdem sich im vergangenen Sommer mehr als 1,2 Millionen Menschen in einer Europäischen Bürgerinitiative gegen Tierversuche ausgesprochen hatten, kündigte die EU-Kommission einen Fahrplan für tierversuchsfreie Sicherheitsprüfungen von Chemikalien an.
Europa-Radar
Was in Brüssel passiert und Europa bewegt: Unser RND-Korrespondent liefert EU-Insights und Hintergründe – immer donnerstags.
Wer wirklich sicher sein will, keine Kosmetik mit Tierversuchen zu kaufen, sollte auch auf vertrauenswürdige Siegel achten. Dazu gehören das internationale Label „Leaping Bunny“ mehrerer Tierschutzorganisationen, das Siegel „Hase mit schützender Hand“ des Deutschen Tierschutzbundes und die Veganblume.
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Dieser Artikel ist Teil unserer wöchentlichen Serie zur Europawahl 2024.